Clack
Gesucht: Mimikdoubles und Freiraummakler
Im neuen Jahr gibt es ganz schön viel zu tun: iMasseure befreien uns von starren Nacken, Denkstoffentwicklerinnen von starren Ansichten und Mimikdoubles von starren Stargesichtern. Autorin Daniela Dambach blättert im Stellenmarkt der Zukunft und stöbert gefragte Jobs auf.

Spiegel der Gesellschaft: Die Jobs, die in Zukunft gefragt sind.
Der iMasseur
Smartphones zwingen unsere Nacken in die Neige. Während sich die Fingerbeeren mit hartnäckigen Hornhautschichten gegen das Wundgetippe wehren, ist der Hals schonungslos der gebeugten, displayorientieren Position ausgeliefert, ob im Bus, bei der Arbeit oder an Opas Beerdigung. Handy-Heavy-User leiden besonders stark an der Volkskrankheit «Smartphone-Starre». Der Schmerz kommt surrend per WhatsApp. Die flinken Hände der iMasseure lockern die Versteifungen und die Betroffenen lernen, dem Smartphone auf Augenhöhe zu begegnen.
Das Mimikdouble
Hollywood sucht sie: Menschen ab 30, die noch Grimassen schneiden können. Durch die grassierende Botox-Epidemie sind nicht nur die Falten aus den Schöngesichtern der Schauspielerinnen verschwunden, sondern auch deren Emotionen. Ersatzdarsteller können ihre flachen Bäuche, straffen Beine, und knackigen Pos verhüllen –
und dafür Scheine scheffeln mit gesichtsverzerrendem Geschluchze, wieherndem Honigkuchenpferdgegrinse bis zum Mundwinkelriss und furchteinflössender Triple-Zornesfalte.
Der Hipsteraseur
Kommt Zeit, geht Bart! Das Ablaufdatum des Modeopfers Hipster naht um Bartlängen. Die Typen sehen Spliss am Ende der Stoppeln und erkennen, dass sich Männlichkeit nicht über einen brennenden Busch mitten in der Birne bis unter dem Adamsapfel definiert. Die Terminbücher der Hipsteraseure füllen sich, Bart um Bart muss über die Rasierklinge springen. Die Rasierschaum- und Aftershave-Branche atmet auf. Und nicht nur die.
Die Rosabrillenoptikerin
Geht es mit der Welt so weiter, steht einem der Sinn hie und da nach einer rosaroten Brille und sei es nur, um am Frühstückstisch bei heissem Kaffee und harziger Konfitüre die druckschwarzen Schlagzeilen zu lesen. Das Teilzeit-Rosa hilft gegen das zähe Grau. Aktionen wie «50% Rabatt auf rosa Brillen» sorgen für Schlangen vor den Optikergeschäften. Kurzsichtige mit engen Stirnen und kleinen Karos lassen sich ihr Modell für einen Aufpreis gleich noch mit Weitsicht versehen (besonders hartnäckige Fälle ausgenommen).
Die Vegapeuthin
Aus Trend wird Tugend: Immer mehr Menschen folgen der gesellschaftlichen Maxime der vegetarischen Ernährung und suchen das fleischlose Glück – unter sabberndem Widerstand ihrer lechzenden Geschmacksnerven. Manch ein Geist ist zwar willig, wird aber bei Fleisch schwach. Vegapeuthen unterstützen Fleischfressende auf Entzug, damit sie sich den Biss in das Saftplätzli und die Schweinsbratwurst ein für alle Mal zu verkneifen vermögen.
Der In-vitro-Metzger
Wer sich nicht zum Vegapeuthen traut, nicht mal auf allen Vieren, aber doch ein Zeichen gegen die unökologische und unethische Fleischproduktion setzen will, holt sich sein Steak beim In-vitro-Metzger um die Ecke. In-Vitro-Metzger sind begehrte Kunstfleischer, welche die synthetischen Zellkulturen liebevoll heranzüchten und artgerecht im Labor halten, ehe sie die Fleischstücke mit dem Skalpell filetieren und mit dem Etikett «100% Fleisch, 0% Tier» versehen.
Die Denkstoffentwicklerin
Denkstoffentwickler brauchen dringend Verstärkung: Sie arbeiten an Impfstoffen gegen Religion, Homophobie, Islamophobie und andere hoch ansteckende Ängste, die durch friedlich weidende, vermeintliche Sündenböcke – scheinbar häufig erkennbar an langen, spitzen Bärten – übertragen werden. Die hochwirksame Essenz aus Geschlechterrollen-Weichmacher, Aufklärungsdünger und «Hörensagen»-Ätze wird den zahlreichen bereits Infizierten in die linke Pobacke gespritzt, wo es wenigstens ein bisschen wehtut. Am effizientesten für die Massenimpfungen erweisen sich übrigens Stammtische. Prognosen zeigen, dass 2015 die Anzahl an benötigten Dosen steigt, insbesondere für den Export nach Deutschland.
Die Chefredaktorin
Klingt in der Reihe der anderen begehrten Jobs der Zukunft gar nicht mal so exotisch – ist es aber in Anbetracht der Chefredaktionen, die weitgehend «oben ohne» dastehen. Frauenquoten sind bloss das Feigenblatt des männerdominierten Mediendschungels. Gesucht sind deshalb Frauen für die Chefetagen namhafter Verlagshäuser – nicht nur, wenn es um Stil und Stillen geht. Denn Meinungsmache ist auch feminin. Darum: Eine Chefredaktorin für die NZZ!
Der Freiraummakler
Seriöse Makler, die mit öffentlichen Freiräumen handeln, sind gefragt. Plätze, wo sich die Menschen frei bewegen können, ohne den Cappuccino mit eingefallenem Milchschaum für acht Franken bestellen zu müssen, bedeuten Lebensqualität. Absperrungen von öffentlichen Räumen wie sie beispielsweise auf der Bundesterrasse geplant sind, gilt es entgegenzuwirken. Gitter sind der Anfang vom Ausschluss der Bevölkerung – sind sie erst mal da, wird die Argumentation lauten «Jetzt müssen wir sie also brauchen, wenn sie schon da sind, war ja schliesslich nicht gratis!» Einen Batzen gekostet haben auch die neuen extrabreiten Parkbänke, auf denen sogar der Allerwerteste einer Kim K. ruhen könnte.
Die Menschenverstandzüchterin
Menschenverstand, vor allem gesunder, bleibt im neuen Jahr ein rares Gut. Die Fortschritte der Forschung erlauben, den gesunden Menschenverstand in riesigen Gewächshäusern zu kultivieren, ohne vergiftende Perfidie. Selbstdenkende Fachkräfte, die ihn säen, gedeihen lassen und reif ernten sind dringend gesucht. Denn 2015 gibt es einen Blister «Menschenverstand aus logischem Anbau» für jede Schweizer Haushaltung – anstatt Jodtabletten. Boulevard-Medien bekämpfen diese Massnahme mit reisserischen Haifisch-Schlagzeilen, zumal sie um ihre Leserschaft bangen, falls diese den gesunden Menschenverstand auch nur in kleinsten Dosen einnehmen würde…
Daniela Dambach ist freie Autorin und Chefredaktorin der Zeitschrift «Mis Magazin». Als Clack-Co-Chefredaktorin wird sie für Sie die schönen und die unschönen Dinge des Alltags mit spitzer Feder und rothaarigem Temperament beschreiben.
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